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Der alte Mann in der Bahn liest das Fernsehprogramm für den Donnerstag. Heute ist Freitag. Das wird Überraschungen geben. Als er langsam die Seite wendet, erkennt man das große Datum in der Ecke: 28. August. Heute ist der 30. Januar. Zweitausendneun. Aus welchem Jahr seine Zeitschrift stammt, ist nicht ersichtlich.
Es ist augenscheinlich ganz egal. Langsam und stetig gleiten die alten Finger über die Spalten, über jede einzelne, manchmal stocken sie kurz, dann fahren sie ruhig weiter. Die Lippen formen ab und an ein paar Worte. Der alte Mann prüft nicht das Programm. Er liest es.
So muß es wohl sein, wenn man auf einer entlegenen Insel strandet und nichts Lesbares wurde mit angespült – außer einer gottverdammten Scheiß-Fernsehzeitung. Zuerst schleudert man sie gegen einen Felsen. Später sammelt man sie wieder ein und blättert sie durch. Schaut sich die Bilder an, liest die halbwegs interessanten Artikel. Irgendwann liest man alle Artikel. Vertieft sich in jedes Bild. Studiert die Anzeigen. Dann überfliegt man sogar das alte Programm. Und irgendwann sitzt man da und liest gründlich jeden Programmablauf jedes Senders für jeden aufgeführten Tag.
Ein Gestrandeter. In die Großstadt gespült, mitten in den Feierabendverkehr, hinein in die U-Bahn, auf den Sitz gegenüber. Mit nichts als seiner alten Programmzeitschrift.
Schöner Gedanke, denke ich komischerweise, und daß die Metapher in diesem Fall aber doch kolossal hinkt. Daß sie mir trotzdem gefällt.
Und daß heute Freitag ist.
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