Extra früh aufstehen, weil man vor dem Tagewerk noch schnell etwas abholen möchte, und im Postamt eine phänomenal lange Schlange vorfinden und sich schleichend vorwärtsschieben und dann endlich an der Reihe sein und hören, daß das Päckchen entgegen der Nachricht auf dem Abholschein doch noch nicht im Depot ist, und dann feststellen, daß der Bus zurück nur alle zwanzig Minuten fährt, und eine halbe Stunde warten, weil er auch noch Verspätung hat, und wenig später beim Hechten in die gleich anfahrende Bahn den Wagen voller lärmender Kinder erwischen und sich inmitten einer kleinen Gruppe reisender Senioren wiederfinden, von denen eine sich aus unerfindlichen Gründen zweimal um ihre Achse dreht und einem dabei zweimal ihren Rucksack in die Seite rammt; das alles, und der Tag hat noch nicht mal angefangen – das ist wirklich: ein ziemlich langer Satz.
Das
stw | 22:36 | mostly harmless | alsteralltag | zwitschern
von Satzsager | 03.12.2008, 01:34 | [Link]
http://de.youtube.com/watch?v=oQ5nnrMnDrQ
von Nichtsseher | 03.12.2008, 18:22 | [Link]
"Dieses Video wurde vom Nutzer entfernt."
von Satzsager | 03.12.2008, 18:32 | [Link]
Oh. Da war mal Herr Dieter H. aus M. zu sehen, der anlässlich einer Kabarett-Veranstaltung einen noch viel viel längeren Satz zu Gehör brachte. Schade.
von Hannes | 08.12.2008, 14:30 | [Link]
Haha. Guter Post.
von satzsager | 30.12.2008, 04:04 | [Link]
Die kollektive und individuelle Eroberung des souveränen, räumlich wie auch zeitlich in die Ferne schweifenden Blicks, der auf Kosten der Verdrängung kurzfristiger Gelüste oder des Aufschubs ihrer Befriedigung (auf dem Wege einer Enthaltsamkeit, die ein starkes Überlegenheitsgefühl gegenüber dem normalen Sterblichen verleiht, der von einem Tag auf den anderen zu leben gezwungen ist) zu planen und dementsprechend zu handeln ermöglicht, wird mit einer intellektualistischen Zäsur bezahlt, die in keiner Hochkultur ihresgleichen kennt: mit einem Bruch zwischen dem als übergeordnet wahrgenommenen Intellekt und dem für untergeordnet gehaltenen Körper; zwischen den abstraktesten Sinnen, dem Sehen und dem Hören (und den entsprechenden Künsten, der Malerei, einer "geistigen Angelegenheit" und der Musik, deren "Rationalisierung", Max Weber zufolge, seinerzeit mit ihrer Differenzierung vom Tanz zunahm), und den "sinnlichsten" Sinnen; zwischen dem "reinen" Geschmack für die "reinen" Künste, das heißt die durch gesellschaftliche Abstraktionsprozesse und -prozeduren wie Perspektive oder tonales System gereinigten, und dem "Geschmack der Zunge und des Schlundes", von dem Kant sprechen wird - kurz, zwischen all dem, was wahrhaft dem Bereich der Kultur entspringt, diesem Ort aller Sublimierungen und Springpunkt aller Distinktionen, und dem, was dem Bereich der - weiblichen und volksnahen - Natur angehört.
Pierre Bourdieu, Meditationen, S.35