Es sind ja immer die Kleinigkeiten. »Bitte erst die Leute aussteigen lassen!« In diesem kleinen Satz liegt die ganze Tragik des Weltgeschehens. Man hört ihn gelegentlich in U- und S-Bahnstationen, wenn Zug und Steig körperkontakterzwingend voll sind, weil ein Großereignis die Menschen zusammenführt.
Ist das nicht ganz und gar irre? Daß man darauf aufmerksam machen muß? Und man muß tatsächlich; das weiß jeder, der dabei war, wenn es in entsprechenden Situationen nicht geschah. Leute streben in Waggons, unbeeindruckt von den im Wege anzutreffenden Aussteigewilligen; unbeeindruckt von der Mühsal, bisweilen auch der Vergeblichkeit des Drängens. Manchmal hilft nicht einmal die Hilfestellung aus dem Lautsprecher.
Wir kritisieren hier nicht in erster Linie die beklagenswerte Ungeduld, auch nicht das völlige Fehlen eines gewissen Höflichkeitsempfindens. Werteverfall? Pff. Treibstoff all das, kein Zündstoff. Kaum zu fassen ist vielmehr diese bemerkenswerte Blödheit. Die Unfähigkeit zu erkennen, daß der eingeschlagene Weg so offenkundig nicht nur nicht zum Ziel, sondern gleichsam davon wegführt; nicht auf verschlungenen, schwer zu überschauenden Pfaden, sondern ganz direkt. Sofort. Sichtbar. Spürbar.
Heute wird hier der ganz große Bogen gespannt: Das – genau das – ist die Antwort auf die Frage, warum es Leid gibt auf der Welt. Solange man Menschen darauf hinweisen muß, es sei der Neubefüllung einer Sache dienlich, sie zuvor zu leeren – solange wird viel zu klagen sein. Solange man »Bitte erst die Leute aussteigen lassen!« rufen wird – solange werden auch ganz andere merkwürdige Dinge auf der Welt geschehen.