Gut, für den leicht zynischen Hinweis »FullHD« bei einem Video von einer Massenpanik mit 19 Toten kann man ja selber nichts. Aber, Rivva, ist »Leben« wohl wirklich die passendste aller Rubriken, das Thema durchzukauen?
Live and let die
stw | 22:27 | wortwahl | gefunden | zwitschern
Machtergreifung
Woran man auch gelegentlich mal erinnern kann:
Das Wort setzt ein Bild in Szene, dass nämlich damals ein Mann oder eine Partei aktiv nach der Macht gegriffen hätte. Historisch gesehen ist das höherer Blödsinn, eine Worthülse, die vor allem dazu dient, den Blick von den wirklichen Vorgängen abzulenken. Denn in Wahrheit wurden die Nazis von ganz anderen Gruppen installiert, es handelt sich um eine Machtübergabe gesellschaftlicher Eliten an einen politischen Desperado, der als Handpupppe eben jener Eliten dienen sollte. Dass dieser Plan gewaltig in die Hose ging, ist wiederum eine andere Geschichte.
Der ganze Text: Wortlügen »
(Wenn nur das Logo dort nicht so furchtbar wäre.)
stw | 17:24 | wortwahl | gefunden | zwitschern
Abpfiff
stw | 21:03 | titelträume | alsteralltag | zwitschern
Die offizielle WM-Elf
Benaglio1
Maicon2 Piqué3 Friedrich4 van Bronckhorst5
Schweinsteiger6
Müller7 Xavi8 Iniesta9
Messi10
Forlán11
1) Von den meisten bereits wieder vergessen, weil für seine Mannschaft nach der Vorrunde schon Schluß war, was aber definitiv nicht seine Schuld war. In nur 270 gespielten Minuten gefühlte 280-mal sensationell gehalten. Daher Vorzug vor Titel-Torhüter Casillas.
2) Auch nicht schlechter als Sergio Ramos, dazu mit schönem Tor von der Grundlinie. Und: wenigstens ein Brasilianer drin damit.
3) Auch nicht besser als Lucio, aber hier gilt ganz willkürlich dann doch das Erfolgsprinzip: Weltmeister schlägt Achtelfinalverlierer.
4) Bizarres Zwischenhoch nach Hertha und vor Wolfsburg. Großes Turnier inklusive noch größerer Szene gegen England, als er in Ronaldo-Messi-Zidane-Manier im Strafraum klärte.
5) Quotenholländer, weil sich hier sonst keiner aufdrängt. Fachlich immerhin gerechtfertigt durch seine Erfahrung, emotional durch sein Tor im Halbfinale, und ansonsten durch den Top-Namen.
6) Klar. Bei uns allerdings als Solo-Sechs, da wir dem Offensivgeist das Wort reden. Stichworte Gegner einschnüren, laufen lassen, Spiel aufzwingen.
7) Dito. Wer Argumente braucht: (1) Goldener Schuh. (2) Schnörkelloser Zug zum Tor. (Bonusargument: Erfrischend authentischer und unbekloppter Torjubel.)
8) Ohne Worte.
9) Gern hätten wir die Elf ja etwas internationaler gestaltet, aber wer um Himmels Willen war denn besser? Außerdem können wir auf das blindtaubstumme Verständnis mit Xavi hinweisen und an dieser Stelle endlich die These einflechten, dass die spanischen Hammer-Paßgeber natürlich auch davon leben, daß sie gleichzeitig Hammer-Paß(an)nehmer sind. Wenn Xavi beim VfL Bochum Xavi-Pässe spielen würde, würden die schon gar nicht mehr wie Xavi-Pässe aussehen, sondern so, als würde ein schwarzhaariger Heißsporn seine Mitspieler abschießen. Deswegen sollte hier keiner vom VfL Bochum spielen. Sondern Iniesta.
10) Ist trotz fehlenden Treffers dabei, weil er zum einen auch so ziemlich gut war, zum anderen in dieser Elf noch viel besser wäre. Und weil er Lionel Messi ist. Gottes Stellvertreter auf dem Spielfeld. Kein Mensch lässt den draußen, wenn er ihn im Kader hat, selbst wenn der Kader die ganze Welt ist.
11) Setzt sich durch gegen David Villa, der zwar zwei der in ihrer Eigenart sehenswertesten Tore gemacht hat (Bogenlampe & Billard) und überhaupt meistens dort ist, wo er sein soll, aber es greift (a) der Uruguay-Underdog-Kampfesmut- und (b) der Kein-Spanier-sein-Faktor.
stw | 17:12 | titelträume | zwitschern
Impala
stw | 17:48 | alsteralltag | zwitschern
»Entschuldigen Sie, gehört Ihnen der Porsche Cayenne da draußen?«
Ich muß ganz offensichtlich massiv an meiner äußeren Erscheinung arbeiten.
stw | 12:24 | alsteralltag | zwitschern
Sollen. Brechen. Stelle.
Sprachkritik ist oft etwas müßig, vor allem, wenn nur eigene Gewohnheiten gegen den natürlichen Wandel verteidigt werden. Auch ist Logik nicht immer die geeignetste Kategorie, um etwas urtümlich gewachsenes und so vielen Einflüssen ausgesetztes wie Sprache zu erfassen.
Trotzdem muß man sich nicht alles gefallen lassen. Zwei Beispiele, die zuletzt häufig in Politik- und Bolzberichten vorkamen:
Sollbruchstelle
Was ist das Problem? Das Wort sagt doch alles. Sollbruchstelle. Sollen. Brechen. Stelle. Eine Stelle, die brechen soll. Worauf also möchte die FAZ mit folgender Analyse hinaus: »Die Sollbruchstellen im deutschen Spiel indes sind in der Vorrunde hervorgetreten. Das größte Defizit besteht auf der linken Abwehrseite.« Daß der Trainerstab die Position hinten links möglichst schwach besetzt hat, damit die Abwehr unter Druck genau dort zusammenbricht?
Das möchte man genausowenig glauben wie die Schlagzeile der Ärztezeitung: »Gesundheit wird Sollbruchstelle für die Koalition« oder die Beobachtung der Südwestpresse: »Wenn in diesen Tagen über den möglichen Bruch der schwarz-gelben Koalition spekuliert wird, liegen die Sollbruchstellen wieder mal offen zu Tage: Gesundheitsreform, Steuerpolitik, Präsidentenwahl.«
Nun hat wohl nicht einmal jeder der Abgeordneten der Regierungsparteien den Koalitionsvertrag gelesen. Daß dort allerdings die Themen Gesundheits- und Steuerreform und die Präsidentenwahl als jene festgeschrieben sind, an denen das Bündnis brechen soll, ist keine These, die als besonders tragfähig in die Thesengeschichte eingehen wird.
Nicht alles, was bricht, sollte auch brechen: Nicht jede Bruchstelle ist auch eine Sollbruchstelle.
Aber das klingt so schön, und was sollen wir denn sonst sagen? Das, was Ihr meint: Bruchstelle. Aber es sind ja nur mögliche Bruchstellen. Dann nennt sie doch genau so, um Himmels Willen. Mögliche Bruchstellen. Oder denkt Euch was aus. Ihr werdet fürs Schreiben bezahlt.
*
Fehlleistung
Wir sehen hier ein weiteres Kompositum. Geübte erkennen: Es setzt sich zusammen aus »Fehl« und »Leistung«. Noch Geübtere erkennen sogar, daß das etwas zu bedeuten hat und eine Fehlleistung etwas anderes ist als ein Fehler. Das klassische Beispiel ist der Freudsche Versprecher: Man sagt das, was man sagen möchte, falsch – das Falsche aber ist überraschend sinnvoll.
Wenig sinnvoll hingegen schreibt der stern, daß sich »die Schuld gewöhnlich auf eine einzelne, klar umrissene Fehlleistung bezieht (›Es tut mir leid, dass ich nicht pünktlich gewesen bin und du warten musstest.‹)«
Worin genau besteht hier die Leistung? Wenn man nicht stattdessen überpünktlich an einem völlig anderen Ort überraschend jemand ganz anderen getroffen hat, handelt es sich bei diesem Beispiel genausowenig um eine Fehlleistung wie bei kuriosen Schiedsrichterentscheidungen (»Da war das Duell gegen den Rivalen aus Südamerika gerade mal eine Stunde alt und der Zorn über die fatale Schiedsrichter-Fehlleistung beim Abseits-Tor durch Carlos Tevez noch nicht ganz verflogen.«) oder noch kurioseren Torwart-Phänomenen (»Praktisch jede Rochade im englischen Tor ergab sich aus einer kapitalen Fehlleistung der vorherigen Nummer 1.«).
Weder der Schiedsrichter noch die englischen Torhüter haben mit ihren Fehlentscheidungen und -griffen aus Versehen etwas geschaffen, das zwar in diesem Moment so nicht gewollt und alles andere als gut war, aber in einem anderen Zusammenhang durchaus gepaßt hätte. Sie haben einfach nur Fehler gemacht.
Wenn man als Faustregel gelten läßt, daß die »Leistung« in »Fehlleistung« – naheliegenderweise – für etwas Geleistetes, etwas in irgendeiner Form Sinnvolles steht, das nur eben statt des eigentlich zu Leistenden an einer völlig falschen Stelle erbracht wurde, dann ist eine weitere Kannbruchstelle deutschprachigen Formulierens unübersehbar.
Der letzte Satz ist ein bißchen lang.
stw | 14:51 | wortwahl | zwitschern